Dr. Thomas Funke
Gründer und Co-CEO der Tomorrow University
Dr. Thomas Funke ist Mitgründer der Tomorrow University, einer Universität, die sich rein im Metaversum abspielt. Er versteht Bildung als akademischen Inkubator. Seine herausforderungsbasierten Kurse vermitteln die Kompetenzen, die Mitarbeitende im 21. Jahrhundert aus seiner Sicht dringend benötigen. Zusätzlich ist er ein anerkannter Experte für Innovation und Unternehmertum.
philoneos: Wie hat Dein beruflicher Weg begonnen und welche prägenden Stationen haben Dich dorthin gebracht, wo Du heute stehst?
Dr. Thomas Funke: An der Uni saß ich in riesigen Vorlesungen und fühlte mich mehr wie eine Matrikelnummer als ein Individuum. Entscheidend war für mich ein Modul zu Entrepreneurship und Innovation. Zum ersten Mal durften wir an einem realen Projekt für ein Unternehmen arbeiten. Da habe ich erlebt, wie viel Mehrwert ich durch meine Arbeit schaffen kann. Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen, das Studium vielmehr als Inkubator für einen selbst zu sehen und nicht nur als reine Wissensvermittlung. Man sollte diese Zeit nutzen, um anwendungsorientiert zu arbeiten und sich selbst auszuprobieren.
Wie hat sich diese Erkenntnis auf Deine Arbeit und Deine Projekte ausgewirkt?
Ich habe zuerst einige Jahre als Assistenzprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) gearbeitet und dort Kurse entwickelt. Ich wollte Bildung von innen heraus verändern, aber mir wurde klar, dass das bestehende System nur bedingt Raum für echte Innovation bietet. Also habe ich den Schritt in die Startup-Welt gewagt und habe das Tech Quartier gegründet, bin aber trotzdem mit einem Fuß an der Uni geblieben. Mit der Zeit sind dann beide Themenfelder immer mehr zusammengekommen, insbesondere während der Pandemie, als die Nachfrage nach Onlineangeboten im Bereich der Bildung gewachsen ist.
Daraus ist die Tomorrow University entstanden. Keine klassische Wissensvermittlung, sondern herausforderungsbasiertes Lernen. Aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus wollte ich eine Uni kreieren, in der die Studierenden ihr Potenzial entwickeln und ausschöpfen können. Es geht also um persönliche Entwicklung und den Umgang mit Herausforderungen. Gut zusammenfassen lässt sich dies unter dem Begriff „Kompetenzen des 21. Jahrhunderts“. Dabei geht es zum Beispiel um unternehmerisches Denken, um soziale Intelligenz und um analytisches Hinterfragen. Bildung, die Menschen in ihrer ganzen Tiefe weiterentwickelt, bringt Mitarbeitende hervor, die mit Herausforderungen umgehen können, innovativ denken und engagiert sind, etwas nachhaltig zu verändern. In einer volatilen Welt wie unserer sind diese Change-Maker die Mitarbeitenden der Zukunft.
Wie sollten sich Unternehmen aufstellen, um Mitarbeitende auch in Zukunft anwerben zu können?
Unternehmen sollten ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeiter:innen sie selbst sein dürfen. Authentizität ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Zusätzlich sollten Unternehmen als wertebasierte Organisationen auftreten und diese Werte auch realisieren. Die Identität eines Unternehmens sollte authentisch gelebt werden, ansonsten fallen Diskrepanzen auf. Letztlich geht es darum, die Bedürfnisse der Organisation mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen übereinanderzulegen.
Organisationsformen werden sich in Zukunft auch verändern, da divergentes, kreatives Arbeiten immer wichtiger werden wird. Flexiblere Arbeitsmodelle, die den Mitarbeitenden der Zukunft Freiheit und Autonomie ermöglichen, sind eine Möglichkeit das umzusetzen. Strukturen und Führungsformen sollten hinterfragt werden, gleichzeitig müssen Veränderungen aber immer auch kulturell begleitet werden, um die Mitarbeiter:innen mitzunehmen.
Du hast vorhin angesprochen, dass unternehmerisches Denken eine zentrale Kompetenz der Mitarbeitenden der Zukunft ist. Wie schafft man es, unternehmerisches Denken in einem Unternehmen zu etablieren?
Es geht darum, alle Mitarbeiter:innen in die Lernzyklen der Organisation mitzunehmen. Eine stetig lernende Organisation entsteht durch sich weiterentwickelnde Individuen, die ausprobieren und experimentieren. Nicht jedes Unternehmen muss unbedingt zwanghaft innovativ sein, aber es sollte sich stetig selbst hinterfragen und das schafft man, wenn jeder Verantwortung übernimmt und Neugierde kultiviert wird. Wichtig ist, dass man die Dinge, die man macht, jeden Tag ein bisschen besser macht und neue Experimente wagt.
Welche drei Trends werden Deiner Einschätzung nach, unsere Wirtschaft und Gesellschaft bis 2040 fundamental beeinflussen?
Ich sehe drei große Trends, die die Zukunft stark prägen werden. Der erste ist das lebenslange Lernen. Auch die Art des Lernens wird sich verändern, denn wir lernen für uns selbst und nicht, um einen besseren Job zu haben. Der zweite Trend ist die Entwicklung sogenannter „weicher“ Kompetenzen – emotionale Intelligenz, ein intuitives Verständnis für Menschen und die Fähigkeit, echte Verbindungen mit anderen aufzubauen. Wir müssen wieder beginnen, uns Menschen Mensch werden zu lassen. Das sind Fähigkeiten, die im Arbeitsalltag unglaublich wichtig sind, besonders wenn es um die Führung von Mitarbeitenden geht. Und der dritte Trend ist die Verbundenheit mit der Natur. Die Natur sollte nicht mehr als kostenloser Dienstleister betrachtet werden. Stattdessen sollte der Einklang mit unserem Ökosystem wiederhergestellt werden.
Wenn du an das Jahr 2040 denkst – was stellst Du Dir vor?
Ich hoffe und glaube, dass wir zu freien, autonom handelnden, tief miteinander und mit der Natur verbundenen Menschen geworden sind. Dass Menschen ihr Potenzial frei entfalten und ihr Leben leben können – authentisch und nach individuellen Bedürfnissen. Vielleicht wird das auch noch ein bisschen länger dauern, aber ich bin Optimist.