Alina Heurich

Geschäftsführerin der Heurich GmbH & Co. KG

Alina Heurich ist Geschäftsführerin der Heurich GmbH & Co. KG, einem Familienunternehmen in dritter und vierter Generation geführt. Die Heurich GmbH & Co KG ist einer der größten Getränke Groß- und Einzelhändler (logo Getränke-Fachmärkte) in Deutschland und beschäftigt mehr als 2000 Mitarbeitende. Alina Heurich verantwortet die Bereiche Personal, Marketing und IT. Zuvor war sie als Unternehmensberaterin bei der Strategieberatung Mercer tätig.
Nach ihrem Bachelor- und Masterstudium in München, London und Manchester, promoviert sie aktuell nebenberuflich zum Thema Vereinbarkeit in Familienunternehmen an der WHU in Vallendar. Zudem ist sie zertifizierte systemische Coach (DGSF).

philoneos: Viele Familienunternehmen befinden sich im Moment in Change- und Transformationsprozessen und auch Du hast Euer Familienunternehmen durch eine Transformation geführt. Was macht einen solchen Prozess Deiner Erfahrungen nach erfolgreich?

Alina Heurich: Schon als Schülerin habe ich immer wieder in unserem Unternehmen gejobbt und mich sehr viel mit meinem Vater ausgetauscht. Allerdings war ich noch nicht Teil der operativen Prozesse. Als ich kurz nach meinem Einstieg in das Unternehmen die Transformation leiten durfte, hatte ich daher eine spannende Position: auf der einen Seite war ich war eng mit dem Unternehmen verbunden, auf der anderen Seite aber weit genug weg, um eine gewisse Neutralität zu wahren.

Mein Ansatz war einen Raum zu eröffnen, wo wir buttom-up mit unseren Bereichsleitenden, Experten in ihren Bereichen, eine offene Diskussion mit Hilfe verschiedener Methodiken zum Thema Zukunftsfähigkeit führen konnten.

Meine Aufgabe war die Prozesssteuerung, also zum Beispiel die gesammelten Punkte sinnvoll zu verknüpfen, gemeinsame Handlungsschritte zu erarbeiten, umzusetzen und nachzuhalten. Durch den systemischen Ansatz ist eine echte Aufbruchstimmung entstanden, es gab Tragfähigkeit in der Führungsriege und Multiplikatoreneffekte in allen Bereichen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht Teil der Geschäftsleitung, aber Teil der Unternehmerfamilie. So konnte ich den Zug reinbringen, den es braucht, um neue Prozesse nachhaltig und effektiv zu implementieren und gleichzeitig herrschte während des Prozesses eine sehr große Offenheit und Transparenz.

Die Welt wandelt sich immer schneller und so auch die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden. Wie schafft Ihr es, den sich ständig ändernden Kundenwünschen gerecht zu werden?

Bei der Heurich GmbH & Co KG sprechen wir von Wahrnehmungsfähigkeit. Sprich die aktive Beobachtung: Was passiert in der Gesellschaft? Was beeinflusst unsere Mitarbeiter:innen und unsere Kund:innen? Wir nutzen Studien, wir befragen sowohl unsere Mitarbeiter:innen als auch unsere Kund:innen und sind im Austausch mit Zukunftsforscher:innen und Geschäftspartner:innen. Grundsätzlich finde ich es besonders bei diesem Thema wichtig, sich auszutauschen, weil jede:r nur einen Teilausschnitt des Großen und Ganzen erfassen kann. Kommunikation ist ein Transportmittel, um sich gegenseitig zu bereichern und ergänzen zu können. All diese Impulse und den Austausch vereinen wir dann zu einem Bild, das der Realität in der Regel deutlich näher ist als die Wahrnehmung des Einzelnen.

Wir haben Prozesse und Strukturen in allen Bereichen hinterfragt und dabei immer die Kund:innen in den Fokus unserer Handlungen gestellt. Uns war wichtig, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden, anstatt nach einer One-size-fits-all-Lösung zu suchen.

Die Mehrheit Eurer Bereichsleiter:innen haben bereits als Azubis bei Euch angefangen. Was ist Euer Erfolgsrezept, um Mitarbeiter:innen lange so zu halten?

Ich denke zwei Punkte sind in dieser Hinsicht besonders wichtig. Auf der einen Seite wollen wir als Unternehmen ein bestmögliches Angebot für unsere Mitarbeiter:innen bieten, indem wir unterstützen und weiterbilden. Darüber hinaus legen wir Wert darauf, jungen Menschen Verantwortung zu geben und den Raum für Weiterentwicklung zu öffnen. Schon mein Vater hat jedem und jeder, der:die das wollte, die Chance gegeben, sich beweisen zu können – nach dem Prinzip „Verantwortung ist die Freiwilligkeit, es zu tun“.

Neben dem Fleiß unterscheidet sich ein:e gute:r von einem:einer sehr guten Mitarbeiter:in aber unserer Meinung nach auch durch die angesprochene Wahrnehmungsfähigkeit – zu sehen, was gebraucht wird und dies eben auch gemeinsam im Team umzusetzen. In einer Welt, die immer schneller und komplexer wird, braucht es die Fähigkeit, flexibel und schnell zu denken. Mitarbeiter:innen sollten in einer aktiv gestaltenden Rolle sein, in der sie nicht nur Anweisungen ausführen, sondern auch selbst weiterdenken. Wir suchen gezielt nach Mitarbeiter:innen, die diese Fähigkeiten mitbringen und gewähren diesen Freiraum dann auch. Ich denke wichtig ist schon im Vorstellungsgespräch transparent zu sein und die Erwartungshaltung auf beiden Seiten klar zu kommunizieren.

Du promovierst aktuell zum Thema Vereinbarkeit in Familienunternehmen. Wie kann man auf Unternehmerseite strukturell und kulturell tun, um echte Gleichberechtigung zu ermöglichen?

Was ich persönlich wichtig finde, ist offene Kommunikation, Planbarkeit und Flexibilität.

Wir haben viele Teilzeitkräfte, einige davon auch in Führungspositionen. Natürlich ist das immer ein Spagat, da dies umso mehr Struktur und Organisation von den Mitarbeiter:innen fordert. Wir als Unternehmen unterstützen das, indem wir keine festen Arbeitszeiten haben, sondern ein Zeitkonto, das monatlich läuft und innerhalb welchem sich der:die Mitarbeiter:in in Absprache mit der Führungskraft und dem gesetzlichen Rahmen frei bewegen kann. Wir können das nicht in allen Bereichen gleichermaßen leisten, weil zum Beispiel Schichtarbeit oder Ladenöffnungszeiten an feste Zeiten gebunden sind. Aber wo immer es auf Unternehmensseite möglich ist, schaffen wir flexible Strukturen. Diese wiederum werden von unseren Mitarbeiter:innen dann in Eigenverantwortung individuell abgesprochen und gestaltet.

Welche drei Trends werden Deiner Einschätzung nach, unsere Wirtschaft und Gesellschaft bis 2040 fundamental beeinflussen?

Ich glaube ein großes Thema ist künstliche Intelligenz und Automatisierung, mit dem unglaublichen Potential, den Menschen stark zu entlasten. Dieser Entwicklung sollte man nicht mit Angst, sondern mit wohlwollender Offenheit begegnen. Sicherlich muss es aber ethische Rahmenbedingungen geben.

Als zweites sicherlich das Gesundheitswesen und der demographischen Wandel. Menschen werden immer älter und das geht einher mit einer Veränderung der Arbeitswelt und dem Thema Vereinbarkeit nicht nur mit Kindern, sondern auch in Bezug auf die Pflege älterer Menschen. Auch das Rentensystem ist hier ein wichtiger Aspekt, genauso wie die Frage, wie wir es schaffen, die Gesellschaft nicht nur physisch, sondern auch psychisch gesund zu halten.

Als dritten Trend sehe ich das Thema Nachhaltigkeit. Für Unternehmen ist hier das Management von knappen Ressourcen relevant, aber auch erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft und CO2-Reduzierung werden uns sehr beschäftigen.

Wenn du an das Jahr 2040 denkst – was stellst Du Dir vor?

Ich hoffe, dass wir es in den nächsten 15 Jahren schaffen, den Mensch in einer technologisierten Welt in den Mittelpunkt zu stellen, indem wir Technologie für und nicht gegen die Gesellschaft nutzen. Ich hoffe auch, dass wir es in Deutschland bzw. Europa schaffen, nicht als weltpolitisches Ordnungsamt, sondern als sinnvoller Mitgestalter aufzutreten. Dennoch erwarte ich eine massive globale Machtverschiebung in politischer Hinsicht und dabei hoffe ich, dass wir als Europa unsere Werte behalten und fördern, aber trotzdem auch die Wirtschaft, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Wohlstand erhalten. Ich wünsche mir, eine gesunde, leistungsbereite Gesellschaft in einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Welt.

Vielen Dank, Alina!

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