Rosalie Dorn
Leitung Finanzbuchhaltung, Controlling und Nachhaltigkeit bei der Rapunzel Naturkost GmbH
RAPUNZEL ist einer der führenden Bio-Lebensmittelhersteller in Europa. Begonnen hat alles ganz klein. Gegründet wurde Rapunzel 1974 als eine Selbstversorger-Gemeinschaft auf einem Bauernhof mit kleinem Naturkostladen im bayerischen Augsburg. In über 45 Jahren Unternehmensgeschichte ist daraus ein international tätiges Unternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitenden geworden. Die Idee ist stets die gleiche geblieben: kontrolliert biologische, naturbelassene und vegetarische Lebensmittel herzustellen.
Rosalie Dorn, Tochter des Gründers Joseph Wilhelm, ist Leiterin im Bereich Controlling, Finanzen und Nachhaltigkeit und trägt gemeinsam mit ihren Geschwistern aktiv und werteorientiert zum Erfolg des Allgäuer Familienunternehmens bei. Bereits vor ihrem Studium entdeckte sie ihre Passion für eine nachhaltige Praxis, die sie bis heute beibehalten hat.
Auf deine Initiative hat man bei Rapunzel schon vor acht Jahren den ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, was vor allem bei der Größe des Unternehmens eher eine Seltenheit ist. Heute berichtet ihr nach GRI Standard. Wie war die Entwicklung?
Der Nachhaltigkeitsbericht ist bei uns durch eine lange Entwicklung gegangen. Als ich damals während meines Studiums im Unternehmen gefragt habe, wieso wir keinen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, in dem über die vielen Maßnahmen und Aktivitäten im Unternehmen berichtet wird, war die Antwort immer, weil das doch alles ganz selbstverständlich sei. Ich fand es damals und finde es auch heute noch sehr wichtig, darüber zu berichten. Wenn wir das hier im Stillen machen, ist das natürlich toll für uns, unsere Lieferanten und Mitarbeiter:innen. Aber ich finde, damit die ganze Wirtschaft nachhaltiger wird, muss man mit guten Beispielen vorangehen, um anderen Unternehmen eine Inspirationsquelle zu bieten. 2013 war es noch nicht klar, welche Richtlinien und Standards sich im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung durchsetzen werden. Deshalb haben wir uns damals für ein selbst erarbeitetes Konzept entschieden. Als letztes Jahr wieder der Nachhaltigkeitsbericht anstand, haben wir uns entschieden, nach dem Standard der Global Reporting Initiative (GRI) zu berichten. Die Umsetzung des GRI auf unser Unternehmen war für uns ein sehr wertvoller Prozess, weil man somit nochmals von einer anderen Perspektive auf die Tätigkeiten im Unternehmen blickt. Neben der Berichterstattung nach außen sehen wir den Nachhaltigkeitsbericht allerdings vor allem auch als ein strategisches Tool, in dem wir uns Wegmarken setzen und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen laufend überprüfen.
Was hat es mit dem HAND IN HAND-Programm auf sich?
Das ist unser Fairtrade-Programm, das die Idee des kontrolliert biologischen Anbaus mit der des Fairen Handels verknüpft. Unsere HAND IN HAND-Partner erhalten zusätzlich zu den fairen Preisen und der Bio-Prämie noch eine Hand-in-Hand Prämie. Diese sollen sie für öko-soziale Gemeinschaftsprojekte vor Ort einsetzen, die einen direkten Nutzen für die zuliefernden Bauernfamilien und die Mitarbeitenden bringen. Darüber hinaus gibt es den HAND IN HAND-Fonds – hier spenden wir 1% des Einkaufswerts der Hand-in-Hand-Rohwaren für ökologische und soziale Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Unser HAND IN HAND-Programm gibt es inzwischen schon seit 30 Jahren. Damals gab es noch kein Programm auf dem Markt, das fairen Handel und Bio-Anbau miteinander verbindet. Daher fiel die Entscheidung auf ein hauseigenes Fairtrade-Programm. Die Kriterien basieren auf international gültigen Standards, regelmäßige unabhängige Kontrollen sowie eine externe Zertifizierung sichern dies ab. Generell, aber besonders bei diesem Programm, pflegen wir sehr lange und enge Partnerschaften mit den Lieferanten. Die Lieferanten werden neben den jährlichen Audits auch geschult und beraten. Mit solchen Projekten kann man sehr viel bewirken und ich finde es wichtig, dass solche Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette und nicht nur nachgelagert stattfinden.
Was ist für dich ein nachhaltiges Unternehmen?
Ich denke, der klassische Ansatz Nachhaltigkeit in sozial, ökologisch und ökonomisch zu unterteilen, ist auf jeden Fall ein guter Ansatz. In der sozialen Frage finde ich es wichtig, das Thema weltweit und nicht nur vor Ort zu betrachten, aber eben auch vor Ort. Nachhaltigkeit weltweit zu denken ist wahnsinnig wichtig. Man sollte in der Lieferkette die sozialen Bedingungen in den Ursprungsländern fördern und schauen, dass es den Lieferanten gut geht. Aber auch vor Ort hat ein Unternehmen die Verantwortung nachhaltig zu handeln. Ebenso gehört es für uns dazu, vor Ort den Bio-Gedanken zu leben, wie zum Beispiel beim gemeinsamen, kostenlosen Frühstück oder durch den Mitarbeiterrabatt in unserem Bio-Laden. Natürlich gehört zur Nachhaltigkeit auch das Thema, das meistens in diesem Zusammenhang als erstes genannt wird – und zwar das Thema Umwelt und Energie. Neben diesen klassischen Nachhaltigkeitsthemen darf allerdings auch nicht vergessen werden, dass ein Unternehmen auch nachhaltig ökonomisch wirtschaften muss, um die anderen Nachhaltigkeitsziele verfolgen zu können.
Was ist eines der innovativsten oder nachhaltigsten Projekte bei Rapunzel?
Innovation und Nachhaltigkeit stecken bei Rapunzel nicht in einem einzelnen Projekt, sondern im Geschäftskern selbst. Es ist das Alltagsgeschäft, das nachhaltig ist. Natürlich versuchen wir in einzelnen Projekten auch immer besser, fortschrittlicher und nachhaltiger zu werden. Aber eigentlich finde ich es viel wichtiger, dass die Prozesse von Grund auf nachhaltig strukturiert sind, beispielsweise in der Lieferantenauswahl, der Bedarfsplanung, welche wichtig für die Ernteplanung der Lieferanten ist und wiederum eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf Ebene der Lieferanten ermöglicht. Ich finde es sehr wichtig, dass man im alltäglichen Tun nachhaltig und innovativ ist und ganzheitlich handelt, anstatt (nur) in einzelnen Projekten.
Welche drei Trends werden Deiner Einschätzung nach unsere Wirtschaft und Gesellschaft bis 2040 fundamental beeinflussen?
Nachhaltigkeit wird weiter ein sehr wichtiges Thema bleiben. Es kommen jetzt mehr und mehr Regularien, wodurch dem Thema auch mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Speziellen bin ich der festen Überzeugung, dass fairer Handel immer wichtiger wird. Dabei ist vor allem die Unterstützung von Kleinbauernorganisationen enorm wichtig, um den Menschen vor Ort eine Lebensgrundlage zu bieten und um eine attraktive Alternative zur fortschreitenden Urbanisierung zu bieten. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht direkt zusammenhängt, ist für mich Digitalisierung und Nachhaltigkeit sehr eng miteinander verwoben. Um nachhaltig wirtschaften zu können, ist es wichtig, dass man im Unternehmen so effizient wie möglich arbeitet und laufend an einer Optimierung der Prozesse arbeitet. Gerade bei einem hohen Materialaufwand, welcher aus fairen Preisen für die Lieferanten resultiert, ist das essentiell. Und ein Thema, das sicher immer mehr kommen wird, ist übergreifende Zusammenarbeit – zum einen im Unternehmen, aber vor allem auch zwischen Unternehmen. Sei es zum Thema Digitalisierung oder Nachhaltigkeit. Gerade durch den Austausch ist es möglich, immer mehr Unternehmer:innen für nachhaltiges Wirtschaften zu gewinnen. Das ist auch der Grund, weshalb Unternehmernetzwerke wie die Fairantwortung gAG meiner Meinung nach einen großen Beitrag leisten.