Esther Straub
Geschäftsführerin Brauerei Härle
Esther Straub ist Geschäftsführerin in der 5. Generation des Familienunternehmens Brauerei Härle in Leutkirch, das 1897 gegründet wurde. Ihre Nachfolge im Familienunternehmen von Gottfried Härle ist etwas untypisch, weil sie keine geborene Härle ist, sondern sich die Nachfolge von klein auf im befreundeten Umfeld angebahnt hat. Die Brauerei Härle war immer schon Teil ihres Lebens und so hat sie sich nach erfolgreichem Bachelorabschluss in Passau, Masterabschluss in Mannheim und Aufenthalt in Istanbul für die Rolle als Co-Geschäftsführerin in ihrer Heimat entschieden. Parallel absolvierte sie einen weiteren Master mit Fokus auf Family Entrepreneurship in Friedrichshafen. Außerdem ist sie in diversen Gremien und Kommissionen vertreten, wo sie sich für politische und gesellschaftliche Themen einsetzt. Die Motivation für ihren Einstieg bei der Brauerei Härle nahm sie nach dem Studium daher, nicht ihren Idealismus verlieren zu wollen und in Hierarchien irgendwo zu versinken – der Drang, wirklich wirksam zu sein und etwas aus ihrem Leben zu machen, treibt sie an.
philoneos: Was heißt unternehmerische Verantwortung für Dich? Ist diese eine andere im Familienunternehmen?
Esther Straub: Für mich ist unternehmerische Verantwortung unglaublich groß und sie bestimmt unser gesamtes Handeln. Ich sehe die Brauerei Härle nicht nur als Unternehmen, sondern vielmehr als regionales Netzwerk, in dem ich als Akteurin die Region stark mitgestalten kann. Beispielsweise haben wir Einfluss auf unsere Zulieferer und die Wertschöpfungsketten, indem wir Rohstoffe direkt beim Lieferanten beziehen und mit ihnen langfristige Verträge schließen. Dadurch wiederum kann die regionale Landwirtschaft ihre Nachfolge sichern und durch ein breites Netzwerk an Zulieferern schaffen wir auch für kleine Landwirte Sicherheit. Hinzu kommt, dass wir mit den Landwirten im regelmäßigen Austausch stehen, über die Rohstoffe sprechen und dabei zum Beispiel erfahren, dass der Klimawandel große Auswirkungen auf den Anbau hat. Gemeinsam haben wir erkannt, dass der Bio-Anbau eine gute Lösung darstellt, und nun sind wir die größte Bio-Brauerei in Baden-Württemberg, begleiten Landwirte bei der Umstellung auf Bio und erhalten somit wertvolle Agrarfläche.
Als Familienunternehmen denkt man für die nächste Generation mit und will deshalb die Gastronomie, den Handel und die gesamte Region erhalten und das eigene Unternehmen voranbringen.
Was sind Deine Herzensprojekte bei der Brauerei Härle?
Meine drei Herzensprojekte sind zum einen alles, was mit der Zukunft zu tun hat: der Klimawandel, die Energieversorgung und Bio-Erzeugung vs. Konventionelle Erzeugung. Zweitens liegt mir die Integration von Geflüchteten stark am Herzen. Und drittens das Thema Frauen in Führungspositionen, was mich unglaublich umtreibt, weil ich politisch und gesellschaftlich einige Lücken sehe. Da empfinde ich eine große Verantwortung, das zu ändern und da bin ich sehr aktiv.
Du setzt Dich stark für das Thema Frauenförderung in Unternehmen ein: Welchen Tipp würdest du anderen Unternehmer:innen mitgeben, die verstärkt aktiv werden wollen?
Frauen einstellen! Das schwierige ist ja, dass wir wenig Unternehmerinnen haben, die wir überhaupt ansprechen können – also müssen wir Unternehmer adressieren und da Aufmerksamkeit schaffen, auch Frauen in die Unternehmensnachfolge mit einzubeziehen. Wir als Frauen müssen uns damit aber ebenfalls beschäftigen und dürfen uns nicht hinter Unsicherheit verstecken und uns in Frage stellen, was meistens unberechtigt ist. Vor allem jungen Frauen aufzuzeigen, was möglich ist und „einfach mal zu machen“ – sei es eine Firmenübernahme oder Gründung – ist ganz wichtig.
Mein Wunsch an alle Unternehmer:innen ist es, den Weg freizumachen für die nächste Generation und vor allem junge Frauen in Führungspositionen. Häufig fällt genau diese Karrierezeit mit der Familiengründung zusammen und in der Zeit ist es als Frau viel schwieriger an einen Kredit zu kommen, was sehr ungerecht ist. Ebenso die Themen Mutterschutz, Elternzeit und Elterngeld sind für Selbstständige ungenügend geregelt und das kann nicht sein. Das sind alles Themen, wo wir politisch Druck machen und uns gesellschaftlich engagieren müssen, um gewisse Lücken zu schließen, sodass man als Frau überhaupt eine Chance hat, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen.
Eine weitere Maßnahme, die aktiv im Unternehmen umsetzbar ist und sehr gut funktioniert hat, sind Finanzworkshops für Frauen, um das Bewusstsein und Wissen über die eigene Rentenlücke zu stärken.
Ganz wichtig ist, dass man das Thema Integration von Frauen nicht nur für die Frauen denkt, sondern auch Männern ermöglicht, für ihre Kinder da zu sein. Eltern sollten sich ihre Zeit so aufteilen können, dass bestenfalls beide arbeiten und beide die Kinderbetreuung übernehmen können. Man muss also auch bei Männern flexibles Arbeiten und ihre Verantwortung gegenüber den Kindern fördern, damit Modelle gefunden werden können, die für alle fair sind.
Wie schaffst Du es, in einer aktuellen so unsicheren und komplexen Welt den Durchblick und Weitblick zu bewahren? Wo holst Du Dir das Wissen und die Inspiration?
Was mir unglaublich hilft, ist manchmal auf unserem Brauereigelände herumzulaufen und zu verinnerlichen, dass wir die fünfte Generation sind und meine Vorgänger Weltkriege überlebt haben. Vielleicht ist unsere Welt ja doch nicht ganz so dramatisch aktuell. Das hilft manchmal, um runterzukommen. Ich glaube, in der heutigen Welt lieben wir es, im Drama zu versinken und in Superlativen zu leben – da hilft es auf das zu gucken, was man hat und sich klarzumachen, dass da eine Generation vorher war. Der andere Teil ist das Thema Verantwortung zu übernehmen: lieber in Aktion treten als herumsitzen und rumjammern. Posten annehmen, sich engagieren, Verantwortung übernehmen und einfach „machen“ – da geht der Tag schon schnell genug rum und dann hat man auch das Gefühl, etwas zu bewegen. Außerdem: Bier trinken vernetzt und ist etwas sehr kommunikatives, wodurch man viele inspirierende Leute trifft und an wertvolle Infos kommt.
Was ist Deine persönliche Vision für die Brauerei Härle?
Grundsätzlich möchte ich das Unternehmen auf der Spur haben, auf der es jetzt schon ist. Wir waren schon disruptiv im Sinne von Bio und Klimaneutralität und es ist wichtig, diesen Weg beizubehalten und natürlich auszubauen.
Ich bin außerdem eine Anhängerin der Postwachstumsökonomie, denn ich glaube nicht, dass ein Unternehmen immer weiterwachsen muss. Das geht vor allem mit der negativen Entwicklung im deutschen Biermarkt gerade nicht. Wir gehen das auch an mit alternativen Produkten und das ist schon ein Riesenschritt. Aber in puncto Vision, ist der Weg eigentlich schon vorgezeichnet.
Neben der Brauerei Härle bist Du auch sehr aktiv: Mittelstandsbeirat BMWK, Wirtschaftskommission VdU, Bundesverband für nachhaltige Wirtschaft, Ortsverbandssprecherin der Grünen, etc.
Wie kriegst Du das alles unter einen Hut?
Der Vorteil ist, dass alle meine „Nebenbeschäftigungen“ mit der Brauerei zu tun haben – das Netzwerkdenken. Ich denke so, dass die Brauerei keine Insel ist, sondern dass wir immer im Austausch und in Kooperationen sind. Das zahlt nicht nur unsere Ziele ein, es zahlt sich auch wieder aus. Alles ist miteinander verbunden und deshalb macht es einen riesigen Spaß.
Relativ viel ist heutzutage online, der Tag muss ja irgendwie voll werden und es ist wichtig, auch mal andere Leute zu treffen und nicht nur die anderen Brauer. Ideen aus anderen Branchen und Unternehmen hören und gemeinsam umsetzen – damit bringe ich nicht nur mein Unternehmen weiter, sondern verändere auch bestehende Strukturen in der Gesellschaft und Politik.
Was bedeutet Innovation für Dich?
Innovation ist einfach etwas Neues für einen selbst! Wenn man das so sieht, dann macht es richtig Freude. Insbesondere als Unternehmerin ist das Tüfteln und stetige Überlegen so schön, weil man jeden Tag etwas anders machen und andere mitziehen kann. Es müssen nicht immer Weltneuheiten sein, sondern es muss für das jeweilige Unternehmen neu sein. Vor allem als kleines Unternehmen ist die Welt ein viel zu großer Maßstab. Ich denke, das muss man das differenziert betrachten.
Welche drei Trends werden Deiner Einschätzung nach, unsere Wirtschaft und Gesellschaft bis 2040 fundamental beeinflussen?
Im Brauereikontext fragen sich gerade alle beim „Hellen“, wo die Reise hingeht und hinter dem Megatrend bewusste und gesunde Ernährung, steht aktuell das Thema „alkoholfrei“. Außerdem Energie, die leider in vielen Brauereien noch nicht so ein großes Thema ist, wie es eigentlich sein sollte. Wir sind eigentlich eine sehr energieintensive Branche, mit viel Kochen und viel Kühlen. Ich glaube, dass hier aufgrund der Strukturen und des Wettbewerbs, das Thema Energieversorgung noch nicht den Stellenwert hat und würde mir da mehr Engagement und Verantwortung wünschen.