Bettina Bürklin-von Guradze
Inhaberin - Weingut Dr. Bürklin-Wolf e.K.
Bettina Bürklin-von Guradze leitet seit 1990 als Inhaberin die Geschicke des Weinguts Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim in der Pfalz. Das traditionsreiche Haus bewirtschaftet heute 85 Hektar biologisch-dynamisch und blickt auf über 400 Jahre Geschichte bis ins Gründungsjahr 1597 zurück. Mit 30 Jahren tritt Bürklin-von Guradze die Nachfolge des sich nach wie vor in Familienhand befindenden Weinguts an, das sie bis heute als Vordenkerin und Unternehmerin in beratender und repräsentativer Funktion leitet. Durch ihren kompromisslosen Qualitätsanspruch, die Liebe zum Neuen und ihre Fokussierung auf eine einzige Rebsorte zählt das Haus heute zur qualitativen Spitze des deutschen Rieslings.
Im Interview spricht sie über ökologische Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und ihr Qualitätsverständnis. Außerdem sprechen wir über Arbeitgeberattraktivität und den enormen Wert Ihrer Mitarbeitenden, die die Weiterentwicklung des Weinguts zum Teil bereits seit über 25 Jahren mitgestalten.
Versetzen wir uns einmal zurück in das Jahr 2005: Der deutsche Weinbau ist spürbar im Aufschwung, die Methoden allerdings noch stark geprägt von den Quantitätsbestrebungen der 70er-Jahre. Als eines der ersten Weingüter Deutschlands haben Sie damals auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umgestellt, eine besonders naturschonende und nachhaltige Art der Landwirtschaft. Wie kam es dazu?
Als ich im Jahr 1990 in das Weingut eingestiegen bin, stellte mein damaliger Ehemann mit branchenfremdem Blick schnell die entscheidenden Fragen, z.B.: Was machen wir mit dieser Riesenmenge an Wein, die zu Beginn der 90er Jahre kein Mensch wollte? Davon wollten wir uns verabschieden und uns im Gegenteil der höchsten Qualität verschreiben. Wir haben die Produktionsmenge auf 1/3 reduziert, waren uns darüber hinaus allerdings einig, dass die qualitative Spitze zu erreichen mit konventionellem Weinbau dauerhaft nicht möglich ist. Inspiriert vom einem Buch Nicolas Jolys, das wir auf einer Geschäftsreise im Bücherregal einer Freundin fanden, haben wir nach Rat gesucht und den im Elsass schnell gefunden. „Ich würde allerdings nicht 85 Hektar auf einmal umstellen, sondern mit einer kleinen Fläche anfangen“, riet uns Marc Kreydenweiss. Was wir damals mit diesen 8 Hektar gemacht haben, war eine völlig neue Welt und hat uns alle unglaublich beflügelt. Nach den ersten vier Versuchsjahren haben wir 2005 schließlich den gesamten Betrieb auf biodynamischen Weinbau umgestellt.
Trotz der Beratung durch Marc Kreydenweiss war mit der Verkleinerung des Weinguts und der enormen Straffung des Portfolios ein erhebliches Risiko verbunden. Wie haben Sie dieses damals wahrgenommen, wie sind Sie damit umgegangen? Und was hat Ihnen damals geholfen, eine so risikoreiche Entscheidung zu treffen?
Wir waren jung, dynamisch und unerfahren. Allgemein war das Risiko dadurch überschaubar, dass wir schon einige Jahre zuvor gewisse ökologische Praktiken eingeführt haben. So war es zwar kein softer, aber zumindest auch kein knallharter Fall in ein völlig neues System. Viele Kollegen haben uns für verrückt erklärt. Viele sind aber auch relativ schnell auf diesen Zug aufgesprungen. Gerade viele junge Winzer der neuen Generation wollten qualitativ etwas bewegen und haben ihrerseits die Betriebe umgestellt. Das hat uns natürlich einen gewissen Rückhalt gegeben. Wir haben versucht und versuchen, uns Stück für Stück wieder dem Image anzunähern, dass der deutsche Wein zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte. Und wenn man heute sieht, dass deutscher Wein qualitativ wie preislich überall in der Spitze mitspielt, dann sind wir, so glaube ich, schon ein gutes Stück des Weges gegangen.
Ihr Weingut ist mit zahlreichen Auszeichnungen dekoriert und mit Höchstwertungen in den führenden Weinguides gelistet. Dennoch sind Sie nicht allein in Ihrem Markt. Woraus speist sich Ihr Qualitätsverständnis und was macht ihr Weingut einzigartig?
Unser Qualitätsverständnis und der Familienbesitz. Ersteres speist sich aus dem Anspruch, dass wir nur das Beste vom Besten machen wollen. Unser Weingut war immer im Familienbesitz und ist es bis heute. Familienunternehmen gibt es ja in Deutschland sehr viele, im Weinbau gibt es sie in dieser Größenordnung fast überhaupt nicht mehr. Das ist ein ganz kostbares Gut, weil ein familiengeführtes Unternehmen mit einem Familienmitglied seinen Kopf hinhält und aktiv das Ganze mitbetreibt. Wir haben naturbedingt eine andere Form der Unternehmensführung, weil wir auch mal Dinge gegen die Wirtschaftlichkeit entscheiden, was wiederum mit dem Qualitätsanspruch zusammenhängt: Wenn bei uns in einem Jahrgang die Trauben in einem ganzen Weinberg mal nicht nach Grand Cru schmecken, dann wird es aus diesem Jahrgang keinen Grand Cru geben. Das wird in rein wirtschaftlichen geführten Unternehmen so nicht passieren.
Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeitenden und das Team für Sie?
Der Erfolg des Weinguts hängt von jedem Einzelnen ab. Wir haben uns in den letzten Jahren unglaublich verjüngt, alle sind voller Motivation und Tatendrang. Dabei sind wir nicht nur familiengeführt, sondern fühlen uns auch als Familie. Der Teamgeist, der daraus erwächst, ist absolut unersetzbar. Umso wichtiger ist das Menschliche und Soziale bei der Mitarbeitersuche, das Fachliche ist eher Grundvoraussetzung.
Viele Ihrer führenden Mitarbeitenden gestalten Ihr Unternehmen seit über 25 Jahren: Ihr Geschäftsführer und Ihr Kellermeister seid über 10 Jahren, Ihr Vinotheksleiter seit seiner Ausbildung – sie alle kommen ursprünglich nicht aus der Pfalz. Was macht Sie als Arbeitgeber attraktiv und wie schaffen Sie es, als solcher attraktiv zu bleiben?
Ich denke, ich bin jemand, der seinen Mitarbeitern sehr viel Freiraum und sie kreativ werden lässt, natürlich innerhalb eines gewissen Gesamtrahmens. Ich glaube, nur so kann man Führungskräfte mobilisieren und motivieren, lange in einem Unternehmen zu bleiben. Die Menschen, die bei uns arbeiten, wollen selbst entscheiden, kreativ und im Austausch sein. Für dieses Team bin ich sehr dankbar. Das spricht sich natürlich auch herum, sodass, sollte es mal eine offene Stelle geben, interessanterweise sehr schnell wieder die Menschen zu uns finden, die in die entsprechende Position und das Team passen. Wenn ich solche Menschen um mich herumhabe, dann kann ich auch loslassen und muss nicht jeden Tag im operativen Geschäft da sein, das können die auch alleine wunderbar.
Im Hinblick auf Arbeitgeberattraktivität sprechen Sie einen spannenden Punkt an: Freiräume. Gleichzeitig gibt es wenige leitende Positionen bei Ihnen. Zusätzlich ist die Arbeit in Ihrer Branche hart. Da kann man nicht einfach einen Tischkicker hinstellen und sagen: So, jetzt haben wir New Work. Was glauben Sie also, was machen Sie zusätzlich noch richtig, außer Ihren Mitarbeitenden Führungsverantwortung zu geben? Warum ist das Betriebsklima bei Ihnen so gut?
Ich würde es am ehesten als Puzzle beschreiben, das sich aus hunderten kleinen Teilchen zusammensetzt und deren Kern Sozialkompetenz und Kommunikation bilden. Das Fachliche ist Grundvoraussetzung, das Soziale umso wichtiger. Ich habe das Glück, dass ich Menschen um mich herum habe, die gerne kommunizieren, die offen sind und sich nicht beobachtet fühlen, sondern froh sind, wenn man sich für ihre Arbeit interessiert. Früher war dieses Weingut strikt eingeteilt in drei Bereiche: den Weinbau, die technische Leitung im Keller und die Verwaltung. Diese drei Bereiche haben kaum miteinander kommuniziert und im Grunde wie drei Unternehmen agiert. Das ist heute natürlich undenkbar. Natürlich ist nicht jeder jeden Tag überall, jeder hat aber einen Überblick über den jeweils anderen Bereich. Der entsteht neben dem Arbeitsalltag natürlich auch durch gemeinsame Veranstaltungen. Da müssen Räume für den gegenseitigen Austausch geschaffen werden, damit Mitarbeiter nicht nur Experte ihres Bereichs sind, sondern sich auch für das Ganze interessieren, sodass wir trotz unterschiedlicher Bereiche zusammen als Einheit funktionieren.
Wenn Sie noch einmal auf Ihre Geschichte zurückblicken, die letzten 30 Jahre: worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir einfach den Weg, den wir uns 1994 mit der Erzeugung des ersten Grand Crus in unseren kühnsten Träumen vorgestellt haben, beschritten und schon sehr viel auf diesem Weg erreicht haben. Das hat fast 30 Jahre lang gedauert. Weinbau ist eben keine Schraubenproduktion, wo eine Anpassung morgen umgesetzt werden kann. Man muss sehr weit in die Zukunft und in Generationen denken. Dazu kommt der Klimawandel. Und ich bin sehr stolz darauf, dass wir in Anbetracht all dieser Herausforderungen ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen vor uns haben und für die Zukunft soweit gerüstet sind, wie man heute eben sein kann.