Weiterdenker
Torsten Weber
Torsten Weber ist Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der CBS in Köln und Experte bei p17 – der neuen Nachhaltigkeitsberatung von philoneos, die sich auf das Wirkungsfeld der transformativen Nachhaltigkeit fokussiert. Mit langjähriger Erfahrung in der Beratung von Mittelstand und Großkonzernen weiß er, wie Unternehmen den Weg zu zukunftsfähigem Wirtschaften erfolgreich gestalten können.
philoneos: Du beschäftigst Dich schon lange mit nachhaltiger Transformation. Was bedeutet nachhaltige Unternehmensführung?
Torsten Weber: Nachhaltige Unternehmensführung bedeutet, Ressourcen so zu nutzen, dass auch zukünftige Generationen die gleichen Chancen auf Lebensqualität und Entwicklung haben wie wir heute. Es geht im heutigen, unternehmerischen Wirken nicht nur um Effizienz oder Profit, sondern auch um ökologische und soziale Verantwortung. Unternehmen müssen langfristig zukunftsfähig bleiben, was bedeutet, dass ihre Geschäftsmodelle an den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet sind.
Warum liegt Dir das Thema Nachhaltigkeit so am Herzen?
Wir müssen Verantwortung übernehmen und eine Gesellschaft hinterlassen, die zukunftsfähig ist. Die Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit kann nur dann funktionieren, wenn Unternehmen Alternativen bieten, die besser und nachhaltiger sind – etwa durch attraktivere, neue Produkte, Dienstleistungen oder Strukturen, die auch wirtschaftlich überzeugen. Nachhaltigkeit ist kein Verzicht, sondern eine Chance, sich zukunftsfähig und wettbewerbsstark aufzustellen.
Du sprichst oft von „zukunftsfähig“ statt „enkeltauglich“ – wieso ist Dir dieser Begriff besonders wichtig?
Der Begriff „zukunftsfähig“ ist neutral und bezieht sich auf das Wohl aller Menschen, nicht nur auf die nachfolgende Generation. Wir müssen unsere Lebensweise so gestalten, dass sie langfristig Bestand hat. „Zukunftsfähig“ umfasst alle Aspekte – ökologisch, sozial und wirtschaftlich – und schafft eine breitere, inklusivere Perspektive.
Was sind aus Deiner Erfahrung die größten Hürden für Unternehmen, wenn sie nachhaltiger werden wollen?
Die größte Blockade ist häufig mentaler Natur. Viele Unternehmen, vor allem im Mittelstand, werden von Führungskräften geprägt, die Veränderung skeptisch gegenüberstehen. Sie halten an alten Geschäftsmodellen fest, auch wenn der Wandel notwendig ist. Zusätzlich stellt die Finanzierung von nachhaltigen Prozessen und Produkten ein Hindernis dar, da sie oft teurer sind als traditionelle Alternativen. Unternehmen müssen jedoch bereit sein, in Zukunftsfähigkeit zu investieren, sei es in Form von Technologie oder Kreislaufwirtschaft.
Woran erkennst Du, ob ein Unternehmen Nachhaltigkeit wirklich lebt?
Ein echtes Indiz für gelebte Nachhaltigkeit sind konkrete, messbare Ziele und die transparente Kommunikation dieser Ziele im Nachhaltigkeitsbericht. Unternehmen, die wirklich nachhaltig arbeiten, setzen regulatorische Anforderungen um und gehen über die bloße Erfüllung hinaus. Die Nachhaltigkeitsstrategie muss substanziell und tief in der Unternehmenskultur verankert sein.
Wie viel Einfluss auf nachhaltige Transformation hat aus Deiner Sicht die Politik? Muss der Wandel eher von den Unternehmen selbst kommen oder braucht es klare Regeln von außen?
Die Politik muss klare, verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, die es Unternehmen ermöglichen, nachhaltig zu wirtschaften. Es reicht nicht mehr, auf Freiwilligkeit zu setzen. Regulatorische Maßnahmen wie ESG-Vorgaben oder CO₂-Bepreisung sind erforderlich, um den notwendigen Druck auf Unternehmen auszuüben, ihre Geschäftsmodelle nachhaltig zu gestalten. Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen so gestaltet sein, dass sie den Unternehmen nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit nehmen.
Es gibt ja durchaus viele Skeptiker, die bezweifeln, dass sie als Einzelperson einen Impact haben – wie begegnest Du solchen Stimmen?
Dieses Argument ist faktisch falsch. Jeder einzelne Mensch ist Teil der Gesellschaft, und jeder noch so kleine Beitrag kumuliert ergibt eine große Wirkung. Man muss sich bewusst sein, dass besonders Länder wie Deutschland durch jahrzehntelanges Wirtschaftswachstum auf Kosten der Umwelt eine historische Verantwortung haben. Wenn nicht wohlhabende Länder wie Deutschland den Anfang machen, wer dann?
Zudem ist der CO₂-Fußabdruck Deutschlands sehr hoch. Das oft genannte Argument, dass wir nur 1–2 % der globalen Emissionen jährlich ausmachen, verzerrt die Realität. CO₂ verbleibt über einen langen Zeitraum in der Atmosphäre – entscheidend ist also die historische Gesamtsumme. Deshalb für jede Einzelperson und jedes Unternehmen: Vorbildfunktion und Verantwortung übernehmen – individuell, politisch, wirtschaftlich.
Welche drei Entwicklungen werden Deiner Einschätzung nach, unser Leben bis 2040 am stärksten verändern?
Die erste große Entwicklung ist für mich ganz klar die Klimaneutralität und der damit verbundene Wandel hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit. Die Reduktion von CO₂-Emissionen und der Umbau zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft werden zentrale Herausforderungen sein, die unser Wirtschaften und unseren Alltag prägen. Der zweite Aspekt ist der technologische Fortschritt, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Gerade in der Gesundheitsbranche wird KI eine revolutionäre Rolle einnehmen, indem sie Therapien verbessert, Prävention ermöglicht und insgesamt dazu beiträgt, dass Menschen länger, gesünder und nachhaltiger leben können. Und drittens wird auch der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Stärkung unserer Demokratie eine entscheidende Rolle spielen. In einer Zeit, in der die Welt immer stärker polarisiert, wird es umso wichtiger, den demokratischen Diskurs zu bewahren und unsere sozialen und politischen Strukturen zukunftsfähig zu machen.
Vielen Dank, Torsten!
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